Jede Szene hat ihre Phänomene. Jede Szene lebt auch dank ihrer Phänomene, die Unberechenbarkeit in eine manchmal so leicht abschätzbar wirkende Welt bringen. So vielfältig die Deutschrap-Szene mittlerweile auch geworden ist, scheinen manche Rhythmen unaufhaltbar. Sei es ein Fler, der mit fragwürdigen Aussagen in Interviews um sich wirft, oder dass Banger-Musik-Oberhaupt Farid Bang die Eins für sich reserviert hat. Nicht einmal Unheilig gelang es vor zwei Jahren, dem gebürtigen Marokkaner Paroli zu bieten. Doch manchmal werden diese charakteristischen Merkmale durchbrochen. Denn die zwei großen Anführer der 187 Strassenbande – BonezMC und Gzuz – stellten vor einigen Wochen erneut die Welt des Deutschraps auf den Kopf. Aus dem Underdog ist eine ernst zu nehmende Macht mit äußerst treuen Fans geworden. Doch was macht das Phänomen 187 aus? Straßenrap basierend auf angeblich vorhandener Realness und Loyalität gibt es schon ewig und stellt somit alles andere als eine Neuerfindung dar. Das Image polarisiert ähnlich wie bei Haftbefehl. Mit der erschreckend authentisch wirkenden asozialen Art kann sich bei weitem nicht jeder anfreunden, doch ein genauerer Blick lohnt sich durchaus.
BonezMC und Gzuz sind keineswegs austauschbar. Roher, harter Rap ist eine Königsdisziplin, denn wie oft wirken selbst ernannte Gangsterrapper dabei eher stupide und lächerlich als beeindruckend. Bonez MC und Gzuz werfen auch keineswegs mit Metaphern um sich – aber das müssen sie auch nicht. So direkt und stupide die Zeilen auch manchmal ausfallen, wissen die beiden Charaktere stets diese so rüberzubringen, dass die Faszination stets überwiegt und kein Fremdscham entsteht. Auch wenn beide thematisch nur wenig ausprobieren, kommt keinesfalls Langeweile auf. Ganz im Gegenteil: Dieses 187-Release wirkt deutlich kompakter als noch zum Beispiel der Anfang vergangenen Jahres erschienene Sampler. Die 187-Welt rund um Loyalität, Straße, Gras, Alkohol, Schlägereien, Frauen und Partys lässt einen nicht mehr los. Jeder bringt seine eigenen Macken mit und setzt diese so effektiv wie nur wenige Rapper ein. Produzent Jambeatz liefert den beiden die perfekt dazu passenden Vorlagen. Noch nie klang der Sound derart verspielt, so ausgereift und dermaßen liebevoll.
Beinahe jeder Song sitzt und bleibt in Erinnerung. Füller? Höchstens “Unser Park“ und “Model“ wollen nicht so richtig zünden. Der Rest dagegen wird dem großen Hype mehr als gerecht. Das einzigartige 187-Gefühl beschreiben beide ihre Faszination ziemlich passend:
„Dreh das auf, bis der Rückspiegel wackelt
Diggah, zwanzig Plastikbecher auf der Tischtennisplatte
Bonez, der MC wieder viel zu kredibil
187-Mann, es geht um das Gefühl
Wir drehen das auf, bis der Rückspiegel wackelt
Wieder zwanzig Plastikbecher auf der Tischtennisplatte (Ja!)
Gzuz 187, in mei’m Leben gibt’s nicht viel (Nein!)
Außer die Bande, weil es geht um das Gefühl“
(BonezMC & Gzuz - “Das Gefühl”)
Mit diesem Kollaboalbum verstärkt BonezMC die Vorfreude auf ein Solo-Album, welches irgendwann erscheinen muss, denn wer liefert zurzeit sonst derart viele Ohrwurmhooks? Beispiele gefällig? Da gibt es einerseits die verspielte, zum Glück nicht abgedroschen rüberkommende Kiffer-Hymne “Meine Couch“, doch auch die teils smoothe, teils harte, stets ehrliche Abgrenzung gegenüber dem Rest in Form von “Oh weia“ oder den starken Partytrack “Rum Cola“.
Hauptsache laut sterben – die 187-Attitüde. Auch Hanybal teilt diese Meinung und gibt sich keine Blöße. Herrlich, wie arrogant der Frankfurter über die Konkurrenz herzieht. Weniger arrogant, aber dafür reflektierter gibt sich 187-Stammgast Kontra K auf “Alles Okay“. Auch ernsthafte Themen verpacken die 187er erstaunlich authentisch und interessant.
Dieser intensiver, da so kompakt verpackte Trip lässt einen einfach nicht mehr los, sobald man sich einmal darauf eingelassen hat. Trotzdem mag das Gefühl, ein wahrer Klassiker könnte noch aus dem 187-Lager kommen, nicht verschwinden. Trotzdem darf man sich durchaus mit dem aktuellen Release zufrieden geben. Ihren Hype haben Gzuz und Bonez damit locker gerechtfertigt.