Denkt man an Rap-Atlanta der letzten zwei Jahre, dann denkt man assoziativ vor allem an folgende Persönlichkeiten: An einen Young Thug, der die Szene im vergangenen Jahr mit reichlich weirdem Material versorgte, oder an einen Future, der es mit codeingetränkten Lyrics und einem Mixtape mit Superstar Drake nun endgültig in den HipHop-Olymp geschafft zu haben scheint. Soundtechnisch bewegte sich der Großteil im wuchtigen 808-Bereich und auch an Hi-Hats wurde 2015 nicht gespart.
Doch neben den genannten Protagonisten ist in Atlanta auch abseits von Trap viel passiert. So konnte immer wieder der Name eines Labels vernommen werden: Awful Records, straight outta ATL. Die 15-köpfige Crew, angeführt von Labelboss Father, macht eigentlich keinen HipHop im klassischen Sinn und man würde sich schwertun, sie derzeit szenemäßig einzuordnen. Und so familiär der Umgang innerhalb der Crew auch sein mag, so heterogen ist die Gruppe. R&B, elektronische Klänge und sogar Punk-Einflüsse – alles mit dabei.
Eine junge Dame aus dem Kollektiv ist ABRA. Viel weiß man über die selbsternannte „Darkwave Duchess“ nicht, die Musikblogs sind jedoch schon voll mit ihr. Auch wir haben schon über sie berichtet, als sie im Oktober gemeinsam mit dem österreichischen Produzenten salute den Track “Colorblind” veröffentlicht hat. Aufgewachsen in London, zog es sie bald in den Süden der USA. Father erkannte schon früh die Parallelen zwischen ABRA’s musikalischen Erstversuchen und dem Output von Awful und holte sie wenig später dazu. Ihre experimentellen R&B-Sounds haben genau die richtige Portion Verruchtheit, um sich in die Angebotspalette des Südstaaten-Labels einzureihen. Seit Kurzem ist ihr Album Rose fertig. Es sind soulige Vocals auf minimalistischen, innovativen Beats, die nicht selten an den Sound der 80er-Jahre erinnern. Statt Unperfektheit durch Autotune ausbügeln zu wollen, wird hier oft das sein gelassen, was genau so sein sollte. Experimenteller R&B mit einer Prise Weirdness, von dem wir 2016 hoffentlich noch mehr zu hören bekommen.
